Was ist ein Wohnmobil?

Egal ob Camper oder nicht-Camper: wenn man das Wort Wohnmobil hört, hat wohl jeder von uns ein Bild im Kopf und eine Vorstellung davon, was es ist. Dennoch lohnt es sich, einen etwas tieferen Blick auf das „Phänomen“ Wohnmobil zu werfen und mal zu hinterfragen, was ist ein Wohnmobil eigentlich genau?

Erste Anlaufstelle ist natürlich Wikipedia und dort steht:

„Ein Wohnmobil, in der Schweiz amtlich Wohnmotorwagen, ist ein Kraftfahrzeug mit einer zum Wohnen geeigneten Inneneinrichtung. Diese ähnelt häufig der eines Wohnwagens. Die Fahrzeugbasis ist in der Regel ein Kleintransporter. Überwiegend werden Wohnmobile als Freizeitfahrzeuge zum Camping und für Urlaube mit wechselnden Stand- und Erlebnisorten verwendet.“

Das ist soweit erstmal eine logische, aber sehr allgemein gehaltene Erklärung. Vielleicht muss man auch erst mal klären, oder der Begriff „Wohnmobil“ wirklich der richtige ist, denn das Wort „Reisemobil“ wird auch immer mal wieder verwendet. Gerade die Fachpresse verwendet überwiegend das Wort „Reisemobil“ was man als Indiz werten könnte, dass es der formell korrektere Begriff ist. Tatsächlich werden beide Begriffe inzwischen synonym genutzt.

Geht man jetzt mal in die Tiefe, dann werden Wohnmobile im Rahmen der EU-Typengenehmigung heute einheitlich als „Wohnmobile“ bezeichnet. Und damit kommt eigentlich die Überleitung zum formellen Teil: Was ist ein Wohnmobil?

Seit 1999 können Wohnmobile nach EU-Vorschriften genehmigt werden, seit Oktober 2012 ist es verpflichtend. Das bedeutet, dass mit vorliegender EU-Typengenehmigung eine Zulassung des Fahrzeugs in allen EU-Ländern möglich ist. Aber was genau ist denn eine EU-Typengenehmigung?

Maßgeblich ist eine EU-Verordnung mit einem – wie üblich – eher sperrigen Namen, nämlich die Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018. Die umfasst in der Deutschen Version schlanke 218 Seiten und regelt gem. der Überschrift die „die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge,…“.

In dieser Verordnung findet sich das Wort „Wohnmobil“ genau Drei mal. Zum ersten Mal in einem Verweis auf eine Anlage, nämlich die Anlage 1.

Zum zweiten kommt dann eine wirkliche Legal-Definition von einem Wohnmobil:

„Fahrzeug der Klasse M mit Platz für die Unterbringung von Personen, das mindestens die folgende Ausrüstung umfasst:
a) Sitze und Tisch,
b) Sitze, die zu Schlafgelegenheiten geändert werden können,
c) Kochmöglichkeit,
d) Einrichtungen zur Unterbringung von Gepäck und sonstigen Gegenständen.
Diese Ausrüstungsgegenstände sind im Wohnbereich fest anzubringen. Jedoch kann der Tisch so gebaut sein, dass er leicht zu entfernen ist.“

Damit kann man ja schon mal was anfangen! Interessant finde ich, dass ein Wohnmobil kein Wohnmobil sein kann, wenn es keinen Tisch hat und keine Kochmöglichkeit. Die Schlafmöglichkeit ist subsidiär und kann auch „zusammengebaut“ werden.

Nachzulesen ist das ziemlich am Anfang auf Seite 72 in den Begriffsbestimmungen, und zwar in der Gruppe 5: „Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung“. Hier sind die Wohnmobile die Nummer 5.1. Unter Punkt 5.2 findet man dann beispielsweise „Beschussgeschützes Fahrzeug“, aber auch Krankenwagen (5.2), Leichenwagen (5.4) oder Wohnanhänger (5.6).

Die dritte Fundstelle ist dann schon die besagte Anlage 1: „Aufstellung der Rechtsakte zur Festlegung der Anforderungen für die EU-Typgenehmigung von Fahrzeugen mit besonderer Zweckbestimmung“. Hier werden nun die Anforderungen an drei Fahrzeuggruppen „mit besonderer Zweckbestimmung“ geregelt, nämlich für „Wohnmobile, Krankenwagen und Leichenwagen“. Wie es sich nun mal für eine ordentliche EU-Regulierung gehört, verweist die Anlage 1 in den 80 geforderten Punkten jeweils auf eine weitere EU-Verordnung, die dann den jeweiligen Punkt regelt.

Spannend ist, dass hier anscheinend unterschiedliche „Klassen“ definiert werden. Diese sind M1 < 2.500kg, M1 > 2.500kg, M2, M3. Was bedeutet das denn nun schon wieder?

Des Rätsels Lösung findet sich natürlich auch in der Verordnung. In Artikel 4 Absatz 1 steht dann:

Klasse M1: Kraftfahrzeuge mit höchstens acht Sitzplätzen zusätzlich zum Fahrersitz und ohne Stehplätze, unabhängig davon, ob die Anzahl der Sitzplätze auf den Fahrersitz beschränkt ist;

Klasse M2: Kraftfahrzeuge mit mehr als acht Sitzplätzen zusätzlich zum Fahrersitz und mit einer Gesamtmasse von höchstens 5 Tonnen, unabhängig davon, ob diese Fahrzeuge über Stehplätze verfügen, und

Klasse M3: Kraftfahrzeuge mit mehr als acht Sitzplätzen zusätzlich zum Fahrersitz und mit einer Gesamtmasse über 5 Tonnen, unabhängig davon, ob diese Fahrzeuge über Stehplätze verfügen.

Es geht also um Sitz- und Stehplätze und teilweise die Masse der Fahrzeuge. Welches Fahrzeug aus der Kategorie 1 der Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung (Wohnmobile, Krankenwagen, Leichenwagen) mehr als 8 Sitzplätze hat soll jetzt an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Aber für die Betrachtung der Wohnmobile ist also überwiegend die Klasse M1 relevant. Der Anhang unterteilt nun auch hier in eine Klasse M1 < 2.500 und eine Klasse M1 > 2.500kg. Bei der angegebenen Masse handelt es sich um die technisch zulässige Gesamtmasse im beladenen Zustand. Demnach können wir uns bei der Betrachtung der Anforderungen an Wohnmobile auf die Klasse M1 > 2.500kg konzentrieren.

Welche Anforderungen werden nun an das Fahrzeug gestellt? Wie erwähnt umfasst der Anhang 80 verschiedene Kriterien, die beispielhaft folgende Punkte umfassen:

  • Geräuschpegel: Verordnung (EU) Nr. 540/2014
  • Anbringungsstelle und Anbringung hinteres Kennzeichen: Verordnung (EG) Nr. 661/2009 und Verordnung (EU) Nr. 1003/2010
  • Akustische Warneinrichtungen/ Schallzeichen: Verordnung (EG) Nr. 661/2009 und UN-Regelung Nr. 28
  • Schutz des Fahrzeugführers vor der Lenkanlage bei Unfallstößen: Verordnung (EG) Nr. 661/2009 und UN-Regelung Nr. 12
  • Abschleppeinrichtung: Verordnung (EG) Nr. 661/2009 und Verordnung (EU) Nr. 1005/2010
  • Notbrems-Assistenzsystem: Verordnung (EG) Nr. 661/2009 und Verordnung (EU) Nr. 347/2012

Also eine breite Auswahl an Themen. Der Anhang 1 enthält dabei nur Angaben, ob der jeweilige Punkt für Klasse M1 anzuwenden ist, oder nicht oder – gekennzeichnet durch Buchstaben – welche Anforderung gestellt wird. Diese wiederum muss nun noch „mit Leben“ gefüllt werden. Dazu bedarf es dann der jeweils angegebenen Verordnung. Auffällig oft taucht hierbei die Nr. 661/2009 auf. So das wir uns die mal näher anschauen sollten.

Es handelt sich um die „Verordnung (EG) Nr. 661/2009 des europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeuganhängern und von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge hinsichtlich ihrer allgemeinen Sicherheit.“

Um es kurz zusammenzufassen handelt es sich hierbei um eine „Generalverordnung“ die quasi das Rahmenumfeld regelt, die Zuständigkeiten definiert und bestimmte grundlegende Voraussetzungen schafft. So ist – zum Beispiel – definiert, dass Personenkraftwagen zur Zulassung mit verpflichtend mit Reifendrucküberwachungs-systemen ausgestattet sein sollen, um Kraftstoffeffizienz und CO2-Ausstoß zu minimieren. Wie genau eine solches „Reifendrucküberwachungssystem“ auszusehen hat regelt diese Verordnung nicht. Dazu gibt es überraschenderweise eine weitere Verordnung.

Die „Regelung Nr. 64 der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UN/ECE) — Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung von Fahrzeugen hinsichtlich ihrer Ausstattung mit einem Komplettnotrad, Notlaufreifen und/oder einem Notlaufsystem und/oder einem Reifendrucküberwachungssystem“ regelt nämlich dann die Details schon ziemlich konkret. So muss z.B. gewährleistet sein:
 „Das Reifendrucküberwachungssystem ist nach dem Prüfverfahren gemäß Anhang 5 Absatz 3 zu prüfen. Bei dieser Prüfung muss das Reifendrucküberwachungssystem das in Absatz 5.3.5. beschriebene Warnsignal spätestens innerhalb von 10 Minuten zum Aufleuchten bringen, nachdem eine Störung aufgetreten ist, die die Generierung oder Übertragung von Steuerbefehlen oder Reaktionssignalen im Reifendrucküberwachungssystem des Fahrzeugs beeinträchtigt. Ist das System aufgrund externer Einflüsse (z. B. Funkstörung) blockiert, kann die Zeit für die Erkennung einer Störung verlängert werden.“

Somit ist zum einen
a) Eine Anforderung definiert: nämlich, dass beim Auftreten einer Störung innerhalb von 10 Minuten eine Warnung kommen muss und
b) Die Überprüfung: gem. Anhang 5 Absatz 3

Also schon ziemlich konkret definiert. In Anhang 5 Absatz 3 kann man dann die genauen Anforderungen an die Prüfung im Rahmen der Zulassung nachlesen. So zum Beispiel, wie die „Druckverlustphase zu prüfen ist“: „Verfahren für die Durchschlagprüfung zur Verifizierung der Vorschriften von Absatz 5.3.2 dieser Regelung Aus einem der Fahrzeugreifen ist innerhalb von 5 Minuten nach Messung von Pwarm entsprechend Absatz 2.4.3 Luft abzulassen, bis ein Wert von Pwarm – 20 oder ein Mindestdruck von 150 kPa erreicht ist (je nachdem, was höher ist); dies ist Ptest. Nach einer Stabilisierungszeit von 2 bis 5 Minuten ist der Druck Ptest erneut zu messen und gegebenenfalls anzupassen.“

Also, jetzt sind wir dann mitten drin in der Praxis. Was für Auswirkungen hat das aber auf ein Wohnmobil. Nun, Wohnmobile sind in aller Regel eine Kombination von verschiedenen Ausbaustufen. Die Basis ist in den allermeisten Fällen das Basisfahrzeug, allen voran der Fiat Ducato. Diese Fahrzeugbasis wird dann – je nach Modell – unter Umständen durch eine abgewandelte Hinterachse ergänzt und last but not least kommt noch der Wohnausbau hinzu. Alle Beteiligten in dieser Kette müssen auf die Einhaltung der Vorgaben der anderen Vertrauen, um insgesamt ein zulassungsfähiges Fahrzeug zu konstruieren.

Die Übereinstimmung mit den Anforderungen wird im so genannten „Certificate of Conformity“, oder kurz CoC, festgehalten. Wenn man einen neuen PKW zulässt, dann bekommt man das CoC mit. In der Regel ein Din A4 Blatt auf beiden Seiten eng beschrieben. Der Zulassungsstelle gibt es den Rahmen für die technischen Parameter im Fahrzeugschein vor. Bei einem Wohnmobil kann es sich jetzt schon mal um 3 CoC’s handeln: Fahrzeugbasis, Hinterachse und Aufbau wie eben im Beispiel beschrieben.

So kann natürlich SCA – als Hersteller des Fiat Ducato – nicht die Übereinstimmung für die Hinterachse von Alko übernehmen und die beiden wiederum nicht die ordnungsgemäße Beleuchtung der Aufbaukabine. Das muss – und kann – schlussendlich der Hersteller des Aufbaus machen.

Aber kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Was ist ein Wohnmobil? Hat uns dieser Ausflug in technische Zulassungsvoraussetzungen weitergebracht. Auf der einen Seite wurde das Wohnmobil „inhaltlich“ nur „unschaft“ definiert und das schon ganz am Anfang. Zur Erinnerung ist demnach ein Wohnmobil:
„Fahrzeug der Klasse M mit Platz für die Unterbringung von Personen, das mindestens die folgende Ausrüstung umfasst:
a) Sitze und Tisch,
b) Sitze, die zu Schlafgelegenheiten geändert werden können,
c) Kochmöglichkeit,
d) Einrichtungen zur Unterbringung von Gepäck und sonstigen Gegenständen.
Diese Ausrüstungsgegenstände sind im Wohnbereich fest anzubringen. Jedoch kann der Tisch so gebaut sein, dass er leicht zu entfernen ist.“

Das schränkt auf der einen Seite natürlich etwas ein, denn ein Wohnmobil ist nur ein Wohnmobil, wenn es eine „Kochmöglichkeit“ enthält. Auf der anderen Seite lässt es aber sehr viel Spielraum und Freiheit für die unterschiedlichsten Ausprägungen und Grundrisse und Formate und genau das spiegelt der aktuelle Wohnmobil-Markt ja auch wieder: vom kompakten Campervan der alle Wohnmobil-Merkmale aufweist bis hin zum Liner, vom Festbett bis zum Hubbett ist sehr viel möglich.

Wir als Camper profitieren davon: eigentlich gibt es für jeden das passende Fahrzeug, wenn man mal so „Details“ wir Budget oder einfache „Unmöglichkeit“ außen vorlässt. Manche Dinge lassen sich auf einem beschränkten Raum einfach nicht unterbringen.

Auf der anderen Seite hat uns der kleine Ausflug in die Technik gezeigt, welche Grenzen es auch gibt und wie detailliert dies mitunter geregelt ist. Neben technischen Anforderungen, die der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer betreffen spielen vermehrt auch Nachhaltigkeits-Aspekte eine Rolle. Allem voran natürlich die Reduzierung des CO2-Ausstoss. Die daraus resultierenden Anforderungen machen es dann gleich wieder etwas schwerer, bestimmte Dinge zu realisieren, denn natürlich kann man sich vorstellen, dass die Zulassung einer Achse nur für eine „Fahrzeugidee“ sehr aussichtlos ist. Es bedarf auch eines realistischen Marktes, um den Zertifizierungsaufwand zu betreiben.

Aber insgesamt schaffen es die verschiedenen Hersteller eine Modellvielfalt in die technischen Rahmenvorgaben zu pressen, die so vielfältig ist, wie unsere Wünsche und Ansprüche an „unser“ Traummobil und die Chancen sind groß, dass wir das passende finden.

Egal, was ein Wohnmobil von jeden von uns ist: „zu Hause auf Rädern“, „mobiles Büro“, „die Basis für die schönste Zeit des Jahres“, Freiheit, Unabhängigkeit, Glück, Emotionen. Es ist auf jeden Fall für uns Camper eins: die ideale Basis für einmalige und unvergessliche Momente. Wir sollten diese spüren, denn eins ist sicher: die passen in keine EU-Verordnung!